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Ethics Canvas

Methode
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Nele Balke

30.04.2025 (letztes Update) - 7 Minuten

Wenn neue Technologien entstehen, tauchen früher oder später wichtige Fragen auf: Wer profitiert davon? Wer könnte benachteiligt werden? Welche ethischen Herausforderungen könnten sich ergeben? Diese sogenannten ELSI-Aspekte, also ethische, rechtliche und sozialkulturelle Überlegungen, sind in der Technikentwicklung zentral, werden aber oft zu spät oder gar nicht systematisch berücksichtigt. Um das zu ändern, haben wir in unserer 2. Forschungswerkstatt die Methode Ethics Canvas ausprobiert.

Was ist das Ethics Canvas?

Das Ethics Canvas wurde von Lewis et al. (2017) entwickelt und bietet eine einfache Möglichkeit, sich im Team mit ethischen Fragen auseinanderzusetzen – egal ob man aus der Forschung, der Wirtschaft oder der Politik kommt. Die Methode unterstützt bei der Identifikation und Diskussion ethischer Implikationen einer Technologie und hilft gleichzeitig, diese strukturiert zu dokumentieren. Praktisch ist: Das Canvas steht kostenlos als PDF oder Online-Tool zur Verfügung.

Die Entwickler*innen empfehlen, das Canvas bereits zu Projektbeginn im Team gemeinsam auszufüllen und es im Laufe des Projekts regelmäßig und in einem interdisziplinärem Team zu überarbeiten.

So funktioniert die Methode

Das Ethics Canvas führt in fünf Schritten durch den Reflexionsprozess:

  1. Stakeholder identifizieren: Wer ist direkt oder indirekt betroffen? (z. B. Nutzer*innen, Hersteller*innen)
  2. Mikro-Ebene: Welche Auswirkungen gibt es auf individueller Ebene? (z. B. Verhalten, Routinen, Beziehungen)
  3. Makro-Ebene: Welche gesellschaftlichen Folgen sind denkbar? (z. B. Weltanschauungen, Diskriminierung, Konsumverhalten)
  4. Nicht-menschliche Aspekte: Was bedeutet die Technologie für z. B. Ressourcenverbrauch, Designprozesse oder Sicherheit?
  5. Lösungsansätze entwickeln: Welche ethischen Herausforderungen wurden erkannt – und wie kann man damit umgehen?

Wie wurde das Canvas in der Forschungswerkstatt genutzt?

Nach einer Einführung in die Methode arbeiteten die Teilnehmenden in ihren Verbundprojektteams. Jedes Team erhielt einen Arbeitsplatz, einen ausgedrucktes A1-Canvas sowie Marker und Post-Its. Ziel war es, innerhalb von 30 Minuten relevante Stakeholder zu identifizieren und mögliche ethische Auswirkungen der geplanten Technologie durchzugehen.

Anschließend wurden die Ergebnisse anhand von Leitfragen diskutiert:

  • Welche Dimensionen waren besonders schwierig?
  • Gab es ethische Aspekte, an die vorher niemand gedacht hatte?
  • Wie soll das Canvas künftig im Projekt genutzt werden – und mit wem?

Was kam dabei heraus?

Viele Beteiligte empfanden das Canvas als nützlichen Einstieg in ELSI-Themen, der auch für nicht-ethikorientierte Projekte gut zugänglich ist. Besonders hilfreich war das strukturierte Vorgehen, das ethische Fragestellungen greifbar machte.

In den Diskussionen wurde aber auch deutlich: ELSI spielte bislang oft nur eine Nebenrolle in den Projekten. Viele Beteiligte hatten weder konkrete Zuständigkeiten noch Erfahrung im Umgang mit ethischen Fragestellungen. Durch die gemeinsame Arbeit mit dem Ethics Canvas wurde der Bedarf nach frühzeitiger Sensibilisierung und fachlicher Begleitung deutlich. Nur so können ethische Aspekte sinnvoll in den gesamten Forschungs- und Entwicklungsprozess eingebettet werden.

Zudem förderte die Methode den Austausch zu potenziellen Konflikten in der partizipativen Technikentwicklung, etwa wenn es um den Umgang mit informell Pflegenden oder Moderationsfragen geht.

Was haben wir daraus gelernt?

  • Das Ethics Canvas eignet sich besonders gut zu Projektbeginn oder bei neuen Projektphasen.
  • Es sollte interdisziplinär im Team ausgefüllt werden, damit unterschiedliche Perspektiven einfließen.
  • Die Methode fördert Austausch und Vernetzung über Projektgrenzen hinweg.
  • Eine inhaltliche Begleitung durch das Organisationsteam ist hilfreich – besonders, wenn nicht das ganze Projektteam anwesend ist.
  • Das Canvas ist niedrigschwellig – sowohl digital als auch analog nutzbar.
  • Die ausgedruckte Version im A1-Format bietet ausreichend Platz für eine gute Lesbarkeit und Bearbeitung.
  • Wichtig: Das Ethics Canvas ist nicht speziell für Technikprojekte gedacht, sondern für alle Arten von Forschungs- und Innovationsvorhaben. Es kann aber gut für technikbezogene Fragestellungen angepasst werden.

Fazit

Das Ethics Canvas hilft, ethische Fragen nicht nur im Kopf zu bewegen, sondern sie sichtbar und diskutierbar zu machen – ein wichtiger Schritt für verantwortungsvolle Technikgestaltung.

Quelle

Lewis, D., Reijers, W., Pandit, H. (2017). Ethics Canvas Manual. ADAPT Centre & Trinity College Dublin & Dublin City University.